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Die gute Schale

Wie grüne Farbe und kleine Piktogramme uns vergessen machen – von Manuel

In diesem Beitrag geht es wieder um Berlin und es geht auch wieder um Kaffee. Das letzte Mal hatte ich hier über To-Go Becher und re-cup berichtet. Heute lässt mich ein anderes Bild grübeln. In meinem Hotelzimmer steht eine Kaffeemaschine. Genauer, ein Kapselautomat, Marke egal. So gehts: Wasser und Kapsel rein, Kaffeetasse drunter, Knopf drücken, freuen und trinken. Soweit die Theorie. Neben einem Wasserkocher für Tee scheint dies nun der neue Standard für Hotelzimmer zu sein – zumindest in Berlin. Ich müsste mal herausfinden, ob das mit der Anzahl der Sterne zu tun hat oder dies auf die Wertung der Hotelsterne einen Einfluss nimmt. Eigentlich ist es auch gar nicht relevant, für dieses Thema schon gar nicht.

Zuerst habe ich die Maschine ignoriert, zum einen gibt es genug Kaffee im Job und außerhalb, zum anderen hat man sich schon an den Anblick der Maschinen gewöhnt. Was mir aber auffiel war der Papp-Aufsteller neben der Maschine. Dort hieß es:

„Die gute Schale“

und es war ein Kreislauf beschrieben, ganz so wie auf dem folgenden Bild:

Ein fast geschlossener Kreis von der Kapsel zum Rohstoff. Im Kopf gehe ich den Kreislauf durch und wundere mich.

Ich gehe den Kreis hier mal durch:

1. Kapsel als Müll

Der Kaffee ist gemacht und man bewegt den Hebel der Machine oder öffnet den Auswurfbehälter der Maschine. Was man sieht: die Kapsel ist heiss und dampft aus einem kleinen Loch. Das noch heiße Kaffee Pulver macht den Dampf, ist aber sonst unsichtbar. Saubere Sache – leider nicht für den Recyclinghof. Die Kapsel ist in dieser Form nicht fürs Recycling geeignet, da sie nicht sortenrein ist. Auch wenn es die Zeichnung suggeriert. Es sind mindestens zwei Komponenten, die hier im Müll landen: Kaffee Kapsel, Kaffee Pulver und manchmal noch eine Folie, die die Kaffeekapsel umhüllt. Um die Kapsel zu recyceln müsste man die drei Komponenten trennen: Folie abziehen, Kaffee Pulver raus, Kapsel in den Müll.

2. Entsorgung im Hotel?

Wenn ich mich im Hotelzimmer umschaue, dann habe ich nur einen Mülleimer im Zimmer, ein zweiter im Bad. Beides Restmüll, keine gelbe Tonne oder sonstige Möglichkeiten den Müll zu trennen. Ich bezweifle, dass das Reinigungspersonal den Müll trennt, wenn es den Eimer leert. Alles landet gemeinsam in einem Behälter zusammen mit dem Müll der anderen Zimmer.

3. Trennung oder Verbrennung?

Gehen wir mal vom Guten aus und stellen uns vor, dass der Müll tatsächlich getrennt wird und die Kapsel (oder Schale, wie es der Hersteller nennt) im gelben Sack landet. Zusammen mit anderem Polypropylen (PP) kommt diese beim Entsorger an. Was dann tatsächlich dem Recycling zugeführt wird, ist erschreckend wenig. Laut einer Anfrage der Grünen sind dies weit unter 20% des Kunststoffes:

Bereinigt beträgt die gesicherte Recyclingquote von Kunststoffen in Deutschland lediglich 17,3 Prozent. 

[grüne]

Somit sieht es schlecht aus, dass unsere Schale jemals den Schredder und das aufbereiten zum Granulat erlebt. Und selbst wenn die Kapsel auf dem Förderband der richtigen Sortieranlage landet gibt es noch eine fundamentale Hürde zu meistern: die Kapsel wird nicht automatisch als PP erkannt und aussortiert:

Helle PP-Kapsel konnten im Test zu 85 Prozent recycelt werden, während die dunklen PP-Kapseln zu null Prozent erkannt und verwertet wurden. Eine durchsichtige Kapsel wurde ebenfalls nicht durch die NIR-Detektion erkannt, obwohl sie aus recyclingfähigem PP besteht. Der Hersteller gab nach Erhalt der Testergebnisse an, er habe zwischenzeitlich auf kompostierbare Kapseln umgestellt, die beim Test noch nicht vorlagen. Die mögen eine höhere emotionale Akzeptanz bei manchen Verbrauchern haben, sind in der Verwertungspraxis aber auch keine Ideallösung.

[umweltdialog]

Warum Bio-Plastik nicht die Lösung ist habe ich hier schon beschrieben. Fazit: Es ist viel wahrscheinlicher, dass die Kapsel in der Verbrennung landet.

4. Granulat als Rohstoff für neue Kapseln?

Interessanterweise wird in dem Kreislauf auf der Abbildung gezeigt, dass die Schale zu neuem PP Granulat verarbeitet wird, nicht jedoch zu einer neuen Kapsel. Warum ist das so? Auf der Homepage des Herstellers findet man einen ähnlichen Kreislauf, die Überschrift enthält aber ein Sternchen: *

*) Je nach lokalem Entsorger kann es regionale Ausnahmen geben.

Argh. Abgesehen von den Ausnahmen gibt es erstmal keinen Hinweis darauf, dass zur Herstellung der Kapsel generell ein Recycling Granulat genutzt wird. Das darf auch scheinbar nicht genutzt werden, zumindest legt dies ein Gutachten zur Nutzung eines anderen Kunststoffs in der Lebensmittelindustrie (PET) nahe. Darin heißt es:

Es ist nur ursprüngliches ‘Food- grade’-PET-Material als Rohstoffquelle für den Recyclingprozess zu verwenden.


[bgvv]

Granulate zur Herstellung von Verpackungen für Lebensmittel müssen aus einem kontrollierten Prozess stammen. Das heißt überwachte Rücknahme, sortenrein getrennt, garantiert keine Vermischung mit kontaminiertem oder anders genutztem Material der selben Art. Dies wird durch den gelben Sack nicht erfüllt. Zweifelhaft also, dass sich Recycling PP in der Kapsel selbst findet. [bgvv]

5. Muss das alles sein?

Recycling ist gut, Einfachheit ist besser. Mittlerweile kenne ich viele Hotels im In- und Ausland. Einige haben solche Kapselmaschinen, andere Instant-Beutel, wieder andere – vor allem in Michigan – nutzen eine Art Senseo-Maschine mit Papierbeuteln. Leider sind diese dann wieder einzeln in Plastik verpackt. Ein Dilemma aus Hygiene und Genuss.

Die verdünnte Wahrheit

Es geht doch nichts über einen guten Kaffee! Am besten wenn man sich dann noch die Zeit nimmt, diesen selbst zu brühen oder diesen im Kaffeehaus zu genießen. Hier ein paar Fakten:

  • Ein 500 Gramm Beutel Kaffee benötigt 30 Gramm Verpackungsmaterial. Daraus kann man 55 Tassen Kaffee zubereiten.
  • In 30 Kapselverpackungen (also 30 Tassen) stecken etwa 180 Gramm Kaffee.
  • Bei Filterkaffee brüht man mit 180 Gramm Kaffeepulver nur etwa 20 Tassen.

Es gibt gute Alternativen zum Kapselautomat. Senseo ist z.B. eine klare Empfehlung, wenn es um das Verhältnis von Restmüll (Verpackung) zu Biomüll (Pads) geht. Ansonsten gilt: lasst die Kapsel wo sie ist – beim Hersteller.
Stop buying crap and manufactures will stop producing crap.


[grüne]: https://www.gruene-bundestag.de/themen/umwelt/deutschland-ist-nicht-recyclingweltmeister

[umweltdialog] https://www.umweltdialog.de/de/wirtschaft/circular-economy/2018/Ach-du-gruene-Kapsel.php

[bgvv]: https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/verwendung_von_werkstofflich_recycliertem_kunststoff_aus_polyethylen_terephthalat__pet__fuer_die_herstellung_von_lebensmittelbedarfsgegenstaenden.pdf

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